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Sagen und Legenden

Franz Wille stolperte in die stockdunkle Baracke. „Verteufelte Finsternis! Schmeißt doch das Dach herunter, damit wenigstens die Sterne in den Affenkäfig scheinen!“
„Recht hast du“, brummt Karl Kühn, „der Kuckuck soll das aushalten! Sechs Monate lang jeden Tag zwanzig Stunden Nacht und keine Lampe in der Bude.“
„S’ist zum Wahnsinnigwerden!“ grollt Franz Wille weiter und tappt an seinen Liegeplatz. „In zehn Tagen ist Weihnachten. Licht will ich haben!“

„Ha, ha, ha“, lacht spöttisch ein ungarischer Pusta-Soldat. „Licht will er haben – Soll froh sein, dass er noch einen Bissen Brot hat. Die Zeiten sind vorbei, da es noch brennende Lampen in den Baracken gab. Leg dich auf’s Ohr und schlaf, wenn du einschlafen kannst vor Hunger. Vielleicht träumst du dann von eurem Christbaum mit seinen Lichtern. Ha, ha, ha! Auch das war einmal!“.

„Gott sei Dank!“, denk ich, „dass uns wenigstens noch die Erinnerung geblieben ist. So manchen Soldaten führten sie schon von dannen, dem wirr die Sinne wurden. Noch ist uns dieses „es war einmal“ der Inbegriff alles Schönen. Seit Tagen geht mir ein Erlebnis immer wieder durch den Kopf. Ich will’s doch aufschreiben und am Weihnachtstag meinen Getreuen vorlesen.

Schräg übern Weg daheim wohnte ein alter Schuster mit seiner Frau. Ein sonderbarer Kauz. Und manche Leute im Dorf wussten ihm allerlei Geheimnisvolles nachzusagen. Eines Abends – es war kurz vor Weihnachten – schickt mich die Mutter mit Vaters Stiefeln zu ihm. „Gleich drauf warten und wieder mitbringen!“ ruft sie mir nach.

Der Schuster saß auf seinem Dreibein bei fleißiger Arbeit. Seine Frau ihm zur Seite am Spinnrad. Um die Fenster heulte der Wind. Aber drinnen war’s warm vom großen Kachelofen. Meine Blicke heften sich unwillkürlich auf die Glaskugel vor des Schusters Lampe.

„Was guckst, Junge, hast so was noch nicht gesehen?“ Das Licht strömte sonnengleich aus der Kugel. „Ist in der Kugel was drin?“ frage ich. „Wasser – von der Gülde. Na, da zeig mal deine Stiefel her!“ Das Wasser so leuchtet, denke ich. Von der Gülde. Was das wohl ist? Die Schustermutter mag wohl meine Neugier geahnt haben. Sie hält ihr Spinnrad an und beginnt:

Hinter dem Feld kommt ein großer Wald und dahinter liegt das Dorf Löhma. Ehe man in das Dorf kommt, springt an einem Kreuzweg eine Quelle aus dem Boden, die selbst in den trockensten Sommern noch nie versiegt ist, soviel ihr auch alle umherliegenden Dörfer Wasser entnahmen für Mensch und Tier.

Einmal – es war vor vielen, vielen Jahren – als noch da und dort Menschen in der Christnacht ins Freie gingen, um zur mitternächtlichen Stunde die Wunder der Heiligen Nacht zu schauen, da ging auch ein Löhmaer Bauersmann hinaus, um die Engel fliegen zu sehen. Da er aber nicht sicher war, ob nicht auch in der Heiligen Nacht der Teufel versuche, die Menschen von Gott abzulenken, wählte er sich zu seinem Tun einen Kreuzweg aus, denn dessen war er gewiss, dass alle listigen Anschläge des Teufels und seiner Gesellen am Kreuz die Macht genommen sei.

Mit solchen Gedanken christlicher Weisheit ging der Bauersmann in der Christnacht an den Kreuzweg bei der Quelle um zu horchen. Und je näher die Mitternacht kam, desto stiller wurde es um ihn, desto freier wurde sein Ohr, desto lichter sein Auge und desto empfindlicher sein Herz. Da fiel der erste Schlag der zwölften Stunde.

Und wie der Schlag so zittern durch die Lüfte drang, da blühte der Himmel auf wie lauter Rosen, und die Sterne neigten sich, und der Bauersmann fiel auf seine Knie, und seine Lippen beteten: „Ich habe mich unterwunden zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin.“ Und da er abermals sein Haupt erhob, vermeinte er Gottvater auf hohem Thron sitzen zu sehen, umringt von tausend Engeln, die ihm dienten und in himmlischen Chören sangen: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!

Und wo er eben noch die Quelle rauschen hörte, da klingelte es ihm entgegen wie ein Saitenspiel und Orgelklang. Und wie er hinsieht, gewahrt er über der Quelle ein silbernes Häuschen, über und unter mit bunten Lichtern besetzt, mit goldenen Glöckchen behangen, mit glitzernden Sternen bestreut.

Vor der Brunnentür aber steht ein altes Mütterlein mit Silberhaar, angetan mit langem Gewande, und schöpft Wasser in dabeistehende kristallene Krüge. Und als der Engel Gloria das Singen beendet, spricht das Mütterchen zum knienden Bauern: „Nimm von den Krügen, so viel du willst, und trage sie heim in eure Häuser. Und wer davon trinkt, der soll gesunden, es Mensch oder Tier. Und wenn das Wasser in den Krügen mangelt, so komme wieder, ihr sollt mich in jeder Christnacht hier finden. Wer schweigend dem Wunder der Weihnacht lauscht und glaubt, dem will ich schenken vom Wasser des Lebens.“

So sprach das Mütterchen, gab dem staunenden Bauersmann zwei Krüge in die Hand und verschwand samt dem Häuschen. Der Bauer trug die Krüger schweigend heim, und das Wasser tat Wunder, wie verheißen.

Fortan kamen die Leute aus den Dörfern Jahr für Jahr in der Christnacht zur Quelle und empfingen schweigend geweihtes Wasser und gesundeten alle an Leib und Seele, sodass die Dörfer voll wurden des Lobes über die Quelle, so Gott der Herr bei ihnen aufgetan hatte, und ihr Name hieß seitdem in aller Munde: Die güldene Quelle.

Als aber ein Wanderbursche hörte vom Segen der Quelle, kam auch er zur mitternächtlichen Stunde, um zu lauschen und von dem Wasser zu empfangen. Aber der Teufel, der schon lange Wege sann, Gottes Segen in Fluch zu verwandeln, ließ den Wanderburschen nicht auf den Kreuzweg treten und betörte sein Herz.

Und als das Mütterchen ihm schweigend reichte vom Wassert, lockte ihn das gleißende Gold am Häuschen. Er brach sich ein paar Glöckchen vom Haus und steckte sie zu sich. Als er aber die Hand zum letzten Male ausstreckte, hörte er hinter sich ein gellendes Lachen, und das Häuschen verschwand vor seinen Augen und ist nie wieder von jemand gesehen worden. Die goldenen Glocken aber verwandelten sich in den Taschen des Burschen zu großen Ameisen und fraßen ihm das Herz ab.

Die Leute fanden ihn am morgen unweit der Quelle tot liegen. Und der Teufel war wieder einmal froh, dass es ihm gelungen war, den Menschen mit der Sucht nach dem Gold den glauben an das Wunder zu nehmen.

Seitdem, so schloss die Schustermutter, schenkt auch die Gülde nur noch gewöhnliches Wasser. Aber ein eigenes Leuchten ist ihm doch geblieben. Und so ist auch heute noch das Wasser von der Gülde für die Schusterkugel das beste.

Burgteich in Löhma umgeben von Bäumen
Blick auf den Burgteich

Im Burgteich von Löhma war ehemals die Wohnung von Nixen. Diese verließen ihn auch und suchten in Löhma Kontakt zu Einwohnern. Einst war Kindtaufe im Löhmaer Burgteich. Die zuvor dahingeschieden gewesene Wehfrau bat auch die Gevattern, welche vom Teichdamme aus den Eingang nahmen in die schöne Stube.

Nachdem der Ortsgeistliche das Kind in der Kirche getauft, speiste man sehr gut bei der Nixe, und auch die Wehfrau ist von ihr reich mit Geld beschenkt worden. Im Übrigen weiß man, dass das Kind zwar in der Kirche getauft, nicht aber ins Kirchenbuch eingetragen worden ist.

Von der Mühle unterhalb der Güldequelle wird erzählt, dass einst hier vor alten Zeiten kleine fleißige Zwerge wohnten, die des nachts aus ihrem Versteck kamen und den Müllersleuten alle Arbeiten verrichteten. Bald buken sie Brot, bald schütteten sie das Korn zwischen die Mühlsteine, sie hielten das Haus sauber und wussten sich überall nützlich zu machen.

Bis die Müllersfrau eines Tages in das Brot Fenchel gebacken hatte. Da verschwanden die Zwerge über Nacht bis zur Kahlleite in den Wald, denn Fenchelbrot bedeutete der Zwergen Tod.